Zusammenfassung
Das VEXAS-Syndrom ist eine seltene autoinflammatorische Erkrankung, die auf einer somatischen UBA1-Genmutation beruht und vorwiegend Männer über 50 Jahre betrifft. Die Genmutation führt zu einer Proteasom-Dysfunktion mit konsekutiver Hyperinflammation. Klinisch kommt es u.a. zu rezidivierendem Fieber, Gewichtsverlust und Hautmanifestationen, häufig assoziiert mit einem myelodysplastischen Syndrom. Die Diagnose wird durch den molekulargenetischen Nachweis der UBA1-Genmutation gesichert. Therapeutisch werden u.a. Glucocorticoide, JAK-/IL6-Inhibitoren oder die allogene Stammzelltransplantation eingesetzt. Die Krankheit hat insb. aufgrund von Komplikationen wie Infektionen und Thromboembolien eine hohe Morbidität und Mortalität.
Definition
Das Akronym „VEXAS“ leitet sich von den folgenden Charakteristika des Syndroms ab:
- V – Vakuolen in myeloischen und erythroiden Vorläuferzellen des Knochenmarks
- E – E1-Enzym: Von der Mutation betroffenes Protein
- X – X-chromosomal: Betroffene Genregion
- A – Autoinflammatorisch: Multisystemische Entzündungsreaktion
- S – Somatisch: Erworbene Mutation
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
- Somatisch erworbene Mutation im UBA1-Gen → Inaktive Isoform UBA1c → Fehlfunktion des Proteasoms → Hochregulation multipler proinflammatorischer Zytokine → Ubiquitinierung↓ und Autoinflammation↑ in erythrozytären und myeloiden Vorläuferzellen im Knochenmark
Symptomatik
- Allgemein
- Rezidivierendes Fieber
- Gewichtsverlust
- Dermatologisch (in bis zu 90%)
- Neutrophile Dermatosen (insb. Sweet-Syndrom)
- Leukozytoklastische Vaskulitis oder Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße
- Muskuloskelettal
- Hämatologisch
- Myelodysplastisches Syndrom (in bis zu 50–55%)
- Anämie
- Thromboembolien
- Pulmonal (in bis zu 50–60%)
- Pulmonales Infiltrat
- Pleuraerguss
- Weitere Manifestationen
- Okulär: Uveitis, Skleritis, Episkleritis, orbitale Raumforderung und/oder periorbitales Ödem
- Kardial: Myokarditis
- Gastrointestinal: Kolitis
- Urogenital: Orchitis, Epididymitis
Das VEXAS-Syndrom ist eine autoinflammatorische Multisystemerkrankung, die häufig andere immunologische oder neoplastische Erkrankungen imitiert!
Diagnostik
- Anamnese, klinische Untersuchung: Klinische Hinweise auf das VEXAS-Syndrom
- Labordiagnostik: Erhöhte Entzündungsparameter (bspw. BSG, CRP), ggf. Anämie
- Pathologie
- Knochenmarkausstrich: Zytoplasmatische Vakuolen in myeloiden und erythroiden Vorläuferzellen
- Hautbiopsie : Infiltration mit reifen Neutrophilen
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen des VEXAS-Syndroms
- Molekulargenetischer Nachweis (Diagnosesicherung ): Somatische Mutation im UBA1-Gen
Die Diagnose des VEXAS-Syndroms ist aufgrund der unspezifischen und teils überlappenden Symptome anspruchsvoll und wird daher häufig verzögert gestellt!
Differenzialdiagnosen
- Immunologische Erkrankungen
- Hämatologische Erkrankungen: Insb. myelodysplastisches Syndrom
- Dermatologische Erkrankungen: Insb. Sweet-Syndrom
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Allgemeine Prinzipien
- Kontrolle der systemischen Entzündungsreaktion: Antiinflammatorische Therapie
- Reduktion pathologischer Knochenmarkklone: Zytoreduktive Therapie
- Behandlung von Komorbiditäten: Bspw. transfusionsbedürftige Anämie, Infektionen, Thromboembolien
Antiinflammatorische Therapie
- Glucocorticoide
- Bei gutem Ansprechen : Abwartendes Verhalten
- Bei unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit: Steroidsparende Therapie
- Steroidsparende Therapie (Off-Label Use!)
- JAK-Inhibitoren (insb. Ruxolitinib)
- IL6-Inhibitoren (insb. Tocilizumab)
- Weitere: Bspw. IL1-Inhibitoren, TNF-α-Inhibitoren
Zytoreduktive Therapie
- Azacitidin
- Hypomethylierende Wirkung, kann die Zahl UBA1-mutierter Klone reduzieren
- Steroidsparende Wirkung
- Allogene Stammzelltransplantation
- Einziger potenziell kurativer Behandlungsansatz
- Sollte nur bei jüngeren Personen ohne relevante Komorbiditäten und in enger hämatoonkologischer Absprache erwogen werden
Behandlung von Komorbiditäten
- Anämie/Zytopenie: Engmaschiges Monitoring, Indikation für Transfusion prüfen
- Infektionsrisiko
- Impfschutz auffrischen
- PJP-/VZV-Prophylaxe, bspw. mittels Cotrimoxazol und Aciclovir
- Bei invasiven Infektionen: Frühzeitig antiinfektive Therapie
- Thromboembolierisiko: Prophylaktische Antikoagulation insb. in Risikosituationen erwägen
Die frühzeitige Diagnose und Therapie des VEXAS-Syndroms sind entscheidend, um das Risiko für eine Progression und rezidivierende Schübe zu vermeiden!
Komplikationen
- Anämie/Zytopenie mit Transfusionsbedarf
- Thromboembolische Ereignisse: Insb. venöse Thromboembolien
- Schwere Infektionen
- Am häufigsten betroffen: Lunge, Haut und Urogenitaltrakt
- Häufig opportunistische Infektionen, bspw. mit Pilzen, Herpesviren oder NTM
- Weitere: Makrophagenaktivierungssyndrom
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
- Hohe Morbidität und Mortalität (insb. durch Komplikationen)