Zusammenfassung
Ein perioperativer Schlaganfall ist ein zerebrovaskuläres Ereignis mit neurologischer Dysfunktion, das intraoperativ oder innerhalb von 30 Tagen nach einem Eingriff auftritt. Die Inzidenz ist stark eingriffsabhängig, wobei über die Hälfte der Ereignisse verzögert nach einem unauffälligen Intervall eintritt. Das Risiko wird durch eingriffsassoziierte sowie patienteneigene Faktoren beeinflusst. Klinisch zeigt sich der Schlaganfall typischerweise durch plötzliche fokale neurologische Defizite, es sind aber auch unspezifische Symptome wie ein Delir oder ein verzögertes Erwachen möglich. Bestätigt sich ein entsprechender Verdacht in der Notfalldiagnostik so kann befundabhängig eine Revaskularisierung erwogen werden. Zu den präventiven Maßnahmen zählen eine präoperative Risikostratifizierung und die fortgeführte Gabe von Medikamenten wie Statinen und Betablockern. Intraoperativ ist v.a. die Vermeidung einer Hypotonie entscheidend.
Definition
- Hirnischämie oder -blutung mit fokal neurologischem Defizit (≥24 h Dauer), das intraoperativ oder innerhalb von 30 Tagen nach einer OP auftritt [1]
Epidemiologie
- Inzidenz: 0,1–11% (stark eingriffsabhängig) [1][2]
- 45% unmittelbar postoperativ (innerhalb 24 h), 55% verzögert nach initial unauffälligem Intervall
- Ca. 10% stumme zerebrale Infarkte
- Risikofaktoren
- Erhöhtes Risiko je nach Art des Eingriffs: Kardiochirurgische Eingriffe > Gefäßchirurgische Eingriffe >> Andere OPs
- Patienteneigene Faktoren: Bspw. Alter, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Nierenerkrankungen
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
-
Zerebrale Ischämie entsprechend der Ätiologie des ischämischen Schlaganfalls
- Embolische Infarkte, bspw. bei Gefäßeingriffen, Koronarangiografie, Einsatz einer HLM
- Thrombosierung, bspw. bei vorbestehender Stenose
- Hämodynamisch, bspw. durch hypotone Phasen intra- oder postoperativ
- Hämorrhagischer Schlaganfall
Die Genese des perioperativen Schlaganfalls ist überwiegend ischämisch!
Symptomatik
- Plötzlicher Beginn fokaler neurologischer Defizite oder Erwachen mit neuen fokalen neurologischen Defiziten
- Ggf. unspezifische Symptome (Delir, verzögertes Erwachen aus der Anästhesie)
- Siehe auch: Neurologische Defizite nach betroffenem Gefäß bzw. Stromgebiet
Diagnostik
- Regelmäßige neurologische Beurteilungen im Aufwachraum bei Hochrisikopersonen
- Einsatz von Schlaganfall-Skalen (bspw. NIHSS)
- Bei Symptomen: Notfalldiagnostik
- Stroke-Alarm auslösen bzw. notfallmäßiges neurologisches Konsil
- Sofortige zerebrale Bildgebung (CCT) und Angiografie (siehe auch: Bildgebung bei Schlaganfall)
- Siehe auch: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
Therapie
- Interdisziplinäre Abwägung einer möglichen Revaskularisierung (Blutungsrisiko gegen Nutzen individuell abwägen)
- spO2 >94%, ggf. Atemwegssicherung
- Normothermie anstreben
- Hyper- und Hypoglykämie vermeiden
- Blutdruckmanagement je nach Ergebnis der Diagnostik, siehe auch
Prävention
Präoperative Maßnahmen [2]
- Präoperative Risikostratifizierung [1]
- Bei Z.n. Hirnischämie elektive Eingriffe um mind. 6 Monate verschieben
- Bei symptomatischer, hochgradiger Karotisstenose präoperative Revaskularisation erwägen
- Perioperativen Umgang mit Vormedikation beachten, insb. Betablocker und Statine perioperativ fortführen
- Perioperatives Gerinnungsmanagement beachten bei bestehender Antikoagulation und/oder Thrombozytenaggregationshemmung
Intraoperative Maßnahmen [1]
- Keine Evidenz für Überlegenheit eines Anästhesieverfahrens hinsichtlich des Schlaganfallrisikos
- Bei OPs an der Hüfte ggf. rückenmarksnahe Regionalanästhesie vorteilhaft
- Vermeidung intraoperativer Hypotonie
- Ggf. frühzeitig Transfusion erwägen (siehe: Indikationsstellung zur EK-Transfusion)
- Hypokapnie vermeiden
- Engmaschige Blutzuckerkontrolle und ggf. Ausgleich